Resolution zum geplanten Abriss des „Alten Finanzamtes“
Intransparente Abrisspolitik beenden!
Die saarländische Landesregierung hat beschlossen, das unter Denkmalschutz stehende Alte Finanzamt in Saarbrücken abzureißen und die frei werdende Fläche einem privaten Investor zu überlassen. Wir, die Grünen im Großraum Saarbrücken, lehnen diesen Beschluss entschieden ab.
Wir fordern die sofortige Aufhebung des aktuellen Konzeptvergabeverfahrens und die Einleitung eines transparenten, städtebaulich und architektonisch offenen Wettbewerbs. In diesem Verfahren müssen sowohl der Erhalt bzw. Umbau als auch ein möglicher Abriss des Alten Finanzamts gleichberechtigt diskutiert und bewertet werden können.
1. Missachtung demokratischer und denkmalpflegerischer Grundprinzipien
Der Fall des Alten Finanzamts steht exemplarisch für den fahrlässigen Umgang mit öffentlichen Gütern, denkmalpflegerischer Verantwortung und demokratischer Teilhabe:
• Das Finanzministerium stellte einen Abrissantrag beim Amt für Denkmalschutz, ohne vorherige öffentliche Debatte. Begründet wurde dies mit übergeordneten öffentlichen Interessen. Das behauptete öffentliche Interesse wurde weder diskutiert noch erklärt.
• Als einen wesentlichen Grund für den Abriss benennt das Finanzministerium die angeblich marode Bausubstanz des Gebäudes. Diesen Zustand hat das Ministerium allerdings durch unterlassene Erhaltungsaufwendungen in der Vergangenheit selbst verschuldet.
• Das Amt für Denkmalschutz verweigerte daraufhin die Zustimmung zum Abriss und forderte die Vorlage entsprechender Gutachten.
• Das Ministerium verweigerte die Herausgabe dieser Gutachten und überging das zuständige Amt, indem es auf Ministerebene eine Abrissgenehmigung einholte.
• Die Entscheidung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorbereitet – entgegen den Prinzipien von Transparenz und Beteiligung.
2. Kritik am Konzeptvergabeverfahren
Die angebotene „Konzeptvergabe“ sollte den Eindruck einer Beteiligung erwecken – diente aber faktisch der nachträglichen Legitimierung bereits getroffener Entscheidungen:
• Das Verfahren war nicht ergebnisoffen: Der Abriss wurde als Grundvoraussetzung festgelegt.
• Die Kriterien der Konzeptvergabe kommen der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zum Thema Nachhaltigkeit nur ungenügend nach
• Die Besetzung der Jury mit überwiegend weisungsgebundenen Verwaltungsmitgliedern lässt an Unabhängigkeit und fachlicher Vielfalt vermissen.
• Die Ausschreibung führte lediglich zu einer einzigen Bewerbung – genau von dem Unternehmen, das bereits vorab als möglicher Investor bekannt war (Oddo BHF).
3. Ökologische und wirtschaftliche Bedenken
Der geplante Abriss steht im Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen der Nachhaltigkeit:
• Ein Abriss verursacht hohe Mengen an Bauschutt und vermeidbare CO₂-Emissionen.
• Die Weiter- oder Umnutzung des Bestandsgebäudes könnte erhebliche Ressourcen sparen – ganz im Sinne der im Klimaschutzgesetz formulierten Vorbildfunktion der öffentlichen Hand.
• Die in der Ausschreibung aufgestellte Behauptung, das Verfahren leiste „durch die Bereitstellung einer innerstädtischen, derzeit ungenutzten Fläche … einen Beitrag zum Erreichen des Flächensparziels Netto-Null“ erscheint kurios, da das Ministerium selbst durch unterlassene Sanierungsmaßnahmen am bestehenden Gebäude dafür verantwortlich ist, dass die Fläche derzeit nicht genutzt wird.
• Die Preisfestlegung des Grundstücks (4,872 Mio. €) durch den Gutachterausschuss ist aus wirtschaftlicher Sicht befremdend: Die tatsächlichen Bodenrichtwerte in vergleichbarer Lage liegen deutlich höher (zwischen 11,2 und 16 Mio. €). Die Preisfindung ist zumindest erklärungsbedürftig.
4. Verfehlte Stadtentwicklung und Widersprüche im Verfahren
Das Verfahren offenbart eine Politik nach Gutsherrenart, die zentrale Aspekte guter Stadtentwicklung missachtet:
• Die Forderung, ein neues Gebäude solle sich „in die historische Umgebung einfügen“, wirkt zynisch – nachdem eben diese Umgebung durch den geplanten Abriss mutwillig zerstört wird.
• Die konzeptionelle Grundlage der Ausschreibung schließt alternative zukunftsorientierte Nutzungsformen von vornherein aus.
• Der angekündigte Architektenwettbewerb kann nicht über die bereits erfolgte inhaltliche Festlegung durch das Konzeptverfahren hinwegtäuschen – er wird zum „Feigenblatt“.
5. Unsere Forderungen
Wir fordern:
1. Einstellung und Aufhebung des aktuellen Konzeptvergabeverfahrens.
2. Vollständige und öffentliche Offenlegung sämtlicher Gutachten zum Zustand und zur Sanierungsfähigkeit des Alten Finanzamts.
3. Einleitung eines offenen, städtebaulich-architektonischen Wettbewerbsverfahrens, in dem Abriss, Umbau und Weiternutzung gleichwertig berücksichtigt werden.
4. Ausrichtung des Wettbewerbs nach der „Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben (SNAP)“.
5. Zusammensetzung der Jury aus unabhängigen Fachpersonen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Stadtgesellschaft.
6. Anschließende Konzeptvergabe auf Grundlage der Wettbewerbsergebnisse, ergänzt durch einen Architektenwettbewerb unter Berücksichtigung der SNAP-Kriterien.
7. Realisierung des Vorhabens gemäß dem DGNB-Zertifizierungssystem (Standard Gold) für Umbau, Teilrückbau oder Neubau.
Der geplante Abriss des Alten Finanzamts stellt einen eklatanten Verstoß gegen Prinzipien der Demokratie, Nachhaltigkeit, Transparenz und Verantwortung im Umgang mit dem baukulturellen Erbe dar. Wir Grüne setzen uns für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung ein, die ökologisch, sozial und architektonisch verantwortungsvoll gestaltet ist – und fordern einen echten Neustart in diesem Verfahren.